(ka) Lauterbach-Pläne zur Krankenhausreform stoßen auf durchgreifende verfassungsrechtliche Einwände – Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg kritisieren massiven Eingriff in die Planungshoheit der Länder – Eine Umsetzung ohne Zustimmung des Bundesrats birgt zudem Risiko der Verfassungswidrigkeit
Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Krankenhausreform stößt auf durchgreifende verfassungsrechtliche Einwände. Das hat ein verfassungsrechtliches Gutachten ergeben, das von den Ländern Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg bei Prof. Dr. Ferdinand Wollenschläger, Universität Augsburg, in Auftrag gegeben und am Mittwoch veröffentlicht wurde. Demzufolge greift der vorliegende Entwurf erheblich in die Krankenhausplanungshoheit der Länder ein. Es besteht sogar das Risiko, dass das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ohne die ausdrückliche Zustimmung einer Stimmenmehrheit der Länder im Bundesrat auch formell verfassungswidrig ist. Damit wäre das gesamte Gesetz hinfällig.
Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg forderten den Bundesgesundheitsminister auf, Konsequenzen aus dem Gutachten zu ziehen. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach betonte: „Wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach sein Vorhaben nicht korrigieren sollte, wird Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagen. Besonders zu kritisieren ist, dass der Bundesgesundheitsminister die Versorgungssicherheit gefährdet. Denn viel zu viele Krankenhäuser müssen in Folge seines Reformvorschlags ihr Leistungsangebot ganz erheblich verringern. Das ist unverantwortlich!“
Gerlach fügte hinzu: „Das Gutachten legt nahe, dass das Gesetz nur mit Zustimmung der Länder im Bundesrat zustande kommen kann, wie es auch ursprünglich von Lauterbach zugesagt war. Er sollte damit uns Länder im Gesetzgebungsverfahren nicht zu übergehen versuchen – so wie er sich das derzeit wünscht. Der Bundesgesundheitsminister gefährdet mit seinem Vorgehen eine zukunftsfeste und sichere Versorgung der Menschen! Deshalb fordere ich Lauterbach auf, die Bedenken der Länder endlich ernst zu nehmen.“
Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken unterstrich: „Das vorliegende Gutachten soll keine Blockadepolitik manifestieren, ganz im Gegenteil: Es setzt sich mit der Frage auseinander, wie eine verfassungskonforme Reform nachhaltig und rechtssicher ausgestaltet werden kann. Das war von Beginn an das gemeinsame Ziel, und daran halten wir Länder fest. Ich fordere den Bund auf, zu seiner Zusage, dass es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handeln wird, zu stehen. Darüber hinaus fordere ich den Bund auf, die Änderungsvorschläge der Länder ernst zu nehmen, um einen Eingriff in ihre Planungshoheit zu vermeiden. Die Grundlage für diese Forderungen ist im Gutachten schwarz auf weiß niedergeschrieben.“
Karl-Josef Laumann, Gesundheitsminister Nordrhein-Westfalens, erklärte: „Am Anfang des Prozesses ist zwischen Bund und Ländern die Zustimmungspflicht zum Reformgesetz vereinbart worden. Im Sinne der Sache sollte der Bund an seiner Zusage festhalten. Denn: Das nun vorgelegte Gutachten unterstreicht die verfassungsrechtlich verankerte Krankenhausplanungshoheit der Länder. Im Ziel sind sich Bund und Länder wohl einig: Wir brauchen die bestmögliche stationäre Versorgung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Die Strukturen müssen für die Menschen da sein – und nicht andersherum. Dazu bedarf es, dass die regionale Expertise, über die die Länder bei der Krankenhausplanung verfügen, mit in die Gesetzgebungsarbeit einfließt. Im Übrigen sollte auch dem Bund daran gelegen sein, ein verfassungskonformes Gesetz einzubringen.“
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha forderte: „Der aktuelle Gesetzentwurf schränkt die Krankenhausplanung der Länder in erheblicher Weise ein. Er steht zudem an entscheidenden Stellen im Gegensatz zum Eckpunktepapier vom 10. Juli 2023, mit dem Bund und Länder eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Krankenhausreform in gemeinsamer Verantwortung erarbeitet hatten. Der Bund muss daher zurück an den Verhandlungstisch mit den Ländern kommen. Durch die erneute Zusammenarbeit von Bund und Ländern kann einerseits der aktuelle Gesetzentwurf im Lichte des Eckpunktepapiers maßgeblich verbessert werden. Andererseits muss – wie bereits im vergangenen Jahr vereinbart – sichergestellt werden, dass das Gesetz der Zustimmung der Länder im Bundesrat bedarf, damit es nicht in diesem zentralen Punkt gegen die Verfassung verstößt und scheitert.“
Konkret heißt es in dem Gutachten von Professor Wollenschläger: „Eine Verabschiedung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes ohne Zustimmung des Bundesrats birgt – unbeschadet der Kompetenzfrage – jedenfalls das Risiko einer formellen Verfassungswidrigkeit.“ Zudem wird darin festgehalten: „So verbleibt es dabei, dass Krankenhäuser ihren krankenhausplanerisch zugewiesenen Versorgungsauftrag nur noch nach Maßgabe detaillierter Strukturvorgaben des bundesrechtlichen Qualitäts- und Vergütungsregimes erfüllen können.“ Die Struktur- und Qualitätsvorgaben des Reformvorschlags tangierten dabei „offenkundig planerische Kategorien der Krankenhausplanung in erheblichem Umfang“.
Das Gutachten hält insgesamt fest: „Nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung bestehen durchgreifende verfassungsrechtliche Einwände hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundes für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, da der Referentenentwurf – trotz Abschwächungen gegenüber den Empfehlungen der Regierungskommission – schwerpunktmäßig Versorgungsstrukturen regelt und die Planungsbefugnis der Länder übermäßig beschneidet.“ Ergänzend heißt es: „Ob diese durch Abweichungsmöglichkeiten zu Gunsten der Länder ausgeräumt werden können, erscheint wegen des skizzierten Ausmaßes des Eingriffs in die Planungshoheit der Länder schon im Grundsatz fraglich. Unabhängig davon wirkt die Abweichungsbefugnis angesichts ihrer konkreten Ausgestaltung jedenfalls nur bedingt kompensatorisch, da Ausnahmemöglichkeiten durch eine Bundesrechtsverordnung zumindest versperrt werden können, materiell durch starre Erreichbarkeitsvorgaben qualifiziert sind und einer grundsätzlichen Befristung unterliegen.“
Quelle – Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention / Foto von Ante Samarzija auf Unsplash
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